3165 - Monolog eines Henkers

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3165 - Monolog eines Henkers
3165 - Monolog eines Henkers

Ein Gastspiel der Burgfestspiele Leuchtenberg richtete im Schlosskeller den Fokus auf eine der wohl einsamsten, traurigsten und doch diskussionsbedürftigsten Biographien aus Wörth und Umgebung. Das Schauspiel „3165 – Monolog eines Henkers“ erzählte das Schicksal von Johann Reichhart, geboren 1893 in Wichenbach bei Tiefenthal. Reichhart war der letzte bayerische Henker und ist Inhaber des schauderhaften Weltrekords im Köpfen von Menschen.

„I hob doch nur meine Arbeit g´macht!“, rief Hans (gespielt von Christian Hofmann) dem Publikum mehr als einmal entgegen. Ob er seinen „Beruf“, im Zuge dessen er 3165 Menschenseelen ins Jenseits beförderte, vor seinen abweisenden Mitmenschen oder vielmehr gegenüber sich selbst rechtfertigen wollte, kann man nur erahnen. Das Bühnenbild im Wörther Schlosskeller stellte den Wohnraum von Hans, der als Figur an das reale Dasein von Johann Reichhart erinnert, und dessen Freundin Erika (Waltraud Janner-Stahl) dar. In der Mitte des Zimmers stand ein Fallbeil, quasi sinnbildlich für die ständige Präsenz des Geräts und den damit verbundenen Erinnerungen in Hans´ Alltag: Unumgänglich und unbeweglich steht das Todeswerkzeug im Zentrum des Lebens Reichharts, wie es als Gegenstand der Theaterbühne einen flüssigen Gang im Wohnraum verhindert, stößt sich Hans auch im übertragenen Sinn immer wieder am Todesbeil. Die Schreie der Todgeweihten verfolgen den Scharfrichter ebenso wie die Ächtung seiner Mitmenschen. Er ist Außenseiter der Gesellschaft und dabei ein Opportunist: Vor 1933 richtete er ebenfalls hin wie unterm Nazi-Regime, schließlich führte er auch für die US-Besetzungsmächte Exekutionen durch. Die Monologe des Henkers gestalteten sich über weite Strecken als Verteidigungsreden, er wird nicht müde zu betonen, dass er stets versucht habe, den Tötungsakt möglichst „kurz und schmerzlos“ zu gestalten und schließlich nur das letzte Glied in einer Justizkette gewesen sein, das die Todesstrafe billigte und aussprach. Seine Freundin Erika wendet sich zwar, als eine von wenigen, nicht vom Scharfrichter ab, doch als Zuhörerin mangelt es ihr an Einfühlungsvermögen für die kranke Seele. Als ihm nach dem Krieg schließlich gerichtlich der Rentenanspruch wegen seiner Dienste für das Regime aberkannt wird und sein geliebter Sohn sich wegen der ständigen Belastungen das Leben nimmt, verliert auch Hans die Kraft, sich am irdischen Dasein festzubeißen. Auf die Frage nach Grechtigkeit und Schuld gibt es mannigfache Antworten, doch als der Henker über die von ihm durchgeführte Hinrichtung von Sophie Scholl spricht wird klar, warum letztere als Heldin eines Landes auf ewig in Erinnerung bleiben wird, während Reichhart höchstens als bemitleidenswerter Randfigur seine Rolle in der Geschichte hat: Dem Druck eines Unrechtregimes nachzugeben ist menschlich nachvollziehbar. Doch wer das eigene materielle Wohlbefinden über moralische Entscheidungen stellt, darf keine Amnestie erwarten, schon gar nicht von der Nachwelt. Das Stillhalten in Hinblick auf die eigene körperliche Unversehrtheit ließ das dritte Reich stark werden [...]

[Wörther Anzeiger, Sonja Heitzer]

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