Balladenabend
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Unter dem Titel „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten…“ unternahmen Petra Sieb-Puchelt und Sven Puchelt am Samstag mit ihrem Publikum eine literarische Deutschlandreise. Das badische Duo aus Waldbronn ergänzte das Programm aus nachdenklichen und lustigen, bekannten und selten gelesenen Balladen mit zahlreichen Stücken der europäischen Folkmusik.
Das zentrale Motiv der Veranstaltung ergab sich aus dem Programmtitel: „Ich weiß nicht was soll es bedeuten“ lautet der erste Vers in Heinrich Heines romantischem Gedicht „Die Loreley“. Die sagenumwobene Rheinnixe lieferte darüber hinaus zahlreichen anderen Schriftstellern ein Schreibmotiv. So trug Sven Puchelt auch Erich Kästners ironische Bearbeitung „Handstand auf der Loreley“ vor: „Die Zeit vergeht. Man stirbt nicht mehr beim Schiffen, bloß weil ein blondes Weib sich dauernd kämmt“, nimmt Kästner als Vertreter der neuen Sachlichkeit den Pathos seiner Vorgänger auf die Schippe.
Die unbestritten unterhaltsamste Version der Loreley stammt von Karl Valentin. In bekannt humorvoller Weise veralberte der Komiker seinerzeit die Sagengestalt. Sven Puchelt wusste als Leser alle drei Stücke in ihrer unterschiedlichen Grundstimmung anschaulich vorzutragen. Ein besonderer Höhepunkt war freilich die Valentin–Parodie: In gesungener Form und mit blonder Perücke am Kopf schaffte Puchelt problemlos den
Sprung von der getragenen Stimmung in den Bereich der Komik.
Doch auch über die Loreley hinaus wurde eine Vielzahl von anrührenden Gedichten und Balladen zitiert. Zu den Bekannteren zählte dabei Theodor Fontanes „Herr von Ribbeck“ aus der Zeit des poetischen Realismus 1889. Gruselig anmutende Lyrik stellten
die „Regenballade“ von Ina Seidel und „Walpurgisnacht“ von Willibald Alexis
dar. Ebenfalls mit ausgefeilter Vortragstechnik bestritt Sven Puchelt „Pidder
Lüng“ von Detlev von Liliencron: „Lewwer duad üs Slaav –
Lieber tot als Sklave“, lautet der immer wieder auftauchende Kehrvers der
Ballade, die von der Ständeproblematik früherer Jahrhunderte berichtet. Dass
Lyrik auch Spaß machen kann und teilweise traurig-ernste Begebenheiten in ein
humoristisches Kostüm steckt, bewiesen Texte wie „Die Heinzelmännchen zu Köln“
von August Kopisch. Auch „Des Schleusenwärters blindes Töchterlein“ erntete
Lacher aufgrund seiner locker-legeren Interpretation als Musikstück des
Liedermachers Ulrich Roski. Nach jedem Gedicht gab Sven Puchelt an Hackbrett
und Gitarre zusammen mit Petra Sieb-Puchelt am diatonischen Akkordeon ein
Musikstück zum Besten. Hier wurde die literarische Deutschlandreise zu einer
Welttournee der Klänge: Mit Instrumentalstücken aus der Bretagne, aus Schweden,
Italien und Norwegen waren vor allem traditionelle Melodien aus Europa zu
hören. Der Wechsel zwischen Text und Musik wurde geschickt eingesetzt, um den
Zuhörern nach jedem lyrischen Werk die Möglichkeit zu geben, die Strophen noch
einmal durchzugehen und mögliche Quintessenzen, Lehren und Sittenkritik
herauszufiltern.
Vor etwa einem Jahr war das Duo Puchelt in Wiesent im Hudetzturm aufgetreten: „Hier in der Gegend gibt es wohl nur wunderschöne Veranstaltungsräume“, bewunderten die Württemberger Besucher das Wörther Rondellzimmer.[...]
[Text und Bilder MZ, Sonja Heitzer]