Das zweite oder dritte letzte Mal

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Fangen wir mit dem Ende an. Oder, wie es der Schindler Josef formulieren würde: Zäumen wir das Ross vom Schweif her auf: „Eigentlich haben wir schon die letzten Male gemeint, dass wir gar keine Themen mehr für noch eine Stadtwanderung haben“, gab der andere Josef, der Schütz, nämlich zu bedenken, als er nach fast zwei Stunden die rund 60 gutgelaunten Gäste in den restlichen Sonntagnachmittag entließ. Könnte also glatt sein, dass diese K.i.W.-Stadtwanderung wirklich das Finale einer echten Erfolgsgeschichte markiert. Oder eben auch nicht.

Am besten also, sich gar nicht lang herumzuplagen, mit irgendwas Ungewissem, was einmal sein könnte – wenn es doch so vieles gibt, was zweifellos ist und fast noch mehr, woran man schmunzelnd zurückdenken kann. Noch dazu, wenn Letzteres so interessant und unterhaltsam aufbereitet wird, wie von Josef Schindler, dem Heimatautor mit seinem reichen, autobiografischen Schatz, und von Josef Schütz, dem Landwirt und Bürgermeister mit Hirn, Herz und Augenmaß.

Diesmal ging es also um die Natur im Stadtgebiet, und die lebt überwiegend von den vielen Gärten und kleinen Grünanlagen, die bisweilen etwas abseits, um nicht zu sagen versteckt liegen. Der Pausch-Garten in der Ludwigstraße ist so ein Kleinod, das verborgen von einer hohen Hecke einerseits privaten Ertrag abwirft, aber obendrein eine Art soziale Dividende ausschüttet. „Es sind nicht nur Alleebäume, die das Klima in einer Stadt trotz Erwärmung erträglich halten. Auch fürs Stadtbild haben die privaten Gärten da eine ganz wichtige Funktion.“ Heimat für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten seien Gärten obendrein, aber das versteht sich heutzutage – zum Glück – schon von allein.

Veränderungen, und wie man dazu stehen mag

Die Heimat von Josef Schindler ist die Taxisstraße übrigens erst seit den 1950er-Jahren. Davor hieß sie nämlich Hindenburgstraße. Aber spätestens, als 1944 ein KZ-Todesmarsch hier durchkam und hilfsbereite Anwohner von Nazi-Schergen beinahe erschossen wurden, hätten die Leute erkannt, wen der Generalfeldmarschall ein Jahrzehnt zuvor ins Amt gehoben hatte.

Bei weiten überwogen freilich die vergnüglichen Kindheitserinnerungen. Etwa die, wie der Schindler Josef mal als Bub auf dem Bach-Weiher an der Bayerwaldstraße bis zum Knie ins Eis eingebrochen ist. „Will sagen, was ich weiß, vom Büblein auf dem Eis“, rezitierte er ein Gedicht aus der damaligen Zweitklass-Lesefibel, das doch das Schicksal unvorsichtiger Lausbuben vorgezeichnet hätte: „Das Büblein hat getropfet, der Vater hat’s geklopfet... mein Vater hat nur gelacht und die Mutter hat mir ein warmes Fußbad eingelassen.“

Den Bach-Weiher gibt es heute nicht mehr. Eine Firma hat das Gewässer auf dem Betriebsgelände verfüllt. „Baurechtlich tadellos – aber trotzdem fehlt da jetzt etwas. Der Bach-Weiher war schon eine Attraktion für Wörth“, merkte der Bürgermeister an. Deutlich weniger ansehnlich war indes die „Landmaschinenwerkstatt“ eines „Bulldog-Doktors“ ein paar Meter weiter an der Straße zur Schusshütte. Altfahrzeuge und Schrott seien inzwischen beseitigt worden und mit einem größeren Wohnungsbau sei neues Leben eingekehrt, wie Schütz aufzeigte. „Entsprechend wollen wir die Fläche an den Schießhäusern zusammen mit der Feuerschützengilde nach und nach zu einem Aufenthaltsort weiterentwickeln. Wäre ja auch schade drum, wenn hier sonst keiner vorbeikommt.“

Auch ohne Licht noch eine große Ausstrahlung

Über mangelndes Besucherinteresse könnte sich indes die folgende Station beileibe nicht beschweren: Die frisch sanierte Pestkapelle auf dem Herrnberg ist unter allen Wörther Kleinoden freilich das prominenteste. Selbst ohne elektrische Beleuchtung, die laut Denkmalschutz für einen Bildstock Anfang des 18. Jahrhunderts eher untypisch gewesen wäre. Wie man zu den Förderkriterien des Landesamtes auch stehen mag, so oder so beweise die Pestkapelle, dass Kleinodien es nun mal mit sich bringen, dass sie gelegentlich saniert werden müssen. Wem die frühere Gestaltung der Kapelle mit Glühbirnenkranz und dem Spruch „Vor Hunger, Pest und Krieg verschone uns, oh Herr“ mehr zusagt, kann jene auf einer Schautafel bestaunen. An dieser Wörthlichkeit mit Aussicht bis zu Alpen war es übrigens an Josef Schütz, eine Kindheitserinnerung beizutragen: Für die Wörther Schulkinder der 1980er sei der Piendl Hein eine Legende gewesen. Der Busfahrer habe es sich bei guter Sicht nicht nehmen lassen, auf dem Sauberg anzuhalten und alle Kinder aussteigen zu lassen: „Da hat er uns dann alle Berge in den bayerischen Alpen beigebracht. Wir sind natürlich sauber zu spät gekommen, aber dafür haben wir was gelernt.“

Kleine Dialektkunde: von Körben und vom Körbeln

Gelernt haben natürlich auch die Zuhörer wieder was. Nämlich Bedeutung und Herkunft des bayerischen Verbs „körbeln“. Einen Korb oder ein kleineres Körbel hatte damals jedermann für die Kartoffelernte zu Hause. Körbeln, so vermutet es sogar der große Dialektpapst Ludwig Zehtener, kommt folglich vom Stolpern über einen Korb oder vom Ausschütten desselben. Und der Schindler Josef erinnert sich noch gut daran, dass es seinen Vater einmal gescheit gekörbelt haben muss, wie er mitten im Winter mit dem Radl den Sauberg hinunterfuhr. „So sehr, dass er nicht zur Taufe meines Bruders gehen konnte.“ Überhaupt sei die bayerische Sprache erstaunlich reich an ausdrücken für das Hingefallen-sein: „g’worfa, g’straat, z’legt, dabräselt“ oder gar „daloibelt“.

Tja, und so endete wiederum eine vergnügliche Wanderung da, wo sie angefangen hatte, an der Stadtpfarrkirche. Eine wichtige Gartenfläche ist vor wenigen nämlich auch hier entstanden, wo man im Herz der Stadt eine Kugel Eis oder eine Leberkässemmel genießen kann, wie der Schütz Josef berichtete. Kaum noch jemand denke indes daran, dass genau hier, auf dem heutigen Pfarrgarten, der alte vierseitige Pfarrhof stand, wo der Schindler Josef als Ministrant allerlei erlebt hat. Etwa, wie die Schar der Messdiener einmal ihren Frust darüber, dass ihnen der Pfarrer das Geld vom Ostereiersammeln einkassiert hatte, in „einem Anflug von Vandalismus“ abließe: Die rohen Eier, die sie hatten behalten dürfen, klatschten an die Scheunentür des Pfarrhofs.

Heute ist das Gemäuer freilich Vergangenheit, wie so vieles andere. Ob – wie anfangs angedeutet – auch die Stadtwanderungen von Josef & Josef hiermit tatsächlich ein Ende gefunden haben, wir wollen’s nicht hoffen. Vielleicht fällt ihnen nächstes Jahr doch wieder was ein.

[Text Franz Nopper, Donau-Post; Bild: Anke Urban]

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