Eine kleine Stadt liest in Hofdorf

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Eine kleine Stadt liest in Hofdorf

Die Kriegs- und Nachkriegsjahre plastisch erleben konnten die Besucher der „Eine kleine Stadt liest“ – Veranstaltung im Hofdorfer Nostalgiemuseum. Unter der Überschrift „Dreirad – Luftschutzkeller – Amijeep“ las Alexander Freiherr von Eyb aus seinen eigenen Aufzeichnungen. Zuvor hatte er bereits eine Führung durch sein Museum angeboten. Dreirad und Amijeep spielten auch dabei eine Rolle – zur Freude der Anwesenden nicht nur in Worten sondern als erhaltene Originale.

Dass sich das Projekt „Eine kleine Stadt liest“ und das Nostalgiemuseum Hofdorf hervorragend ergänzen, wurde bereits bei der anfänglichen Museumsführung deutlich. Alexander von Eyb konnte zahlreiche Exponate präsentieren, die die von zwei Weltkriegen geprägte erste Hälfte des 20. Jahrhunderts lebendig werden lassen. So befinden sich verschiedene Modelle des Volksempfänger – Radiogeräts im Museum. Über die im Volksmund „Goebbelsschnauze“ genannten Apparate erreichte der gleichnamige Propagandaminister die Deutschen mit seinen verblendenden Botschaften. Der totalitären Gesinnung der Nazis war es auch geschuldet, dass sich die Symboliken des Regimes in vielen weiteren Lebensbereichen wiederfanden. So wurden den Kindern Spielzeugsoldaten in NS-Uniformen geschenkt. Die Erziehung zu Bürgern und Verteidigern des von Hitler anvisierten „1000-jährigen Reichs“ sollte bereits in der Kinderstube beginnen. Darüber hinaus zeigte Alexander von Eyb alte Wintersportgeräte, Fotoapparate und Dreiräder. Mit vielen Exponaten verbet der Museumsbesitzer persönliche Erfahrungen und Geschichten. Über die anstrengenden Fototermine mit der Mutter als Fotografin wurde im Zuge der Führung ebenso berichtet wie über die schneereichen Winter der 40er Jahre und die innige Beziehung von Eybs zu seinem Dreirad.

In einem Nebengebäude des Museums ist auch ein Amijeep Typ „Willys Overland“ ausgestellt. „So einen kaufe ich mir auch“, hatte sich der junge Alexander von Eyb bei seiner ersten Begegnung mit dem wendigen Gefährt im Zuge des Kriegsendes und der amerikanischen Besatzung Deutschlands vorgenommen.

Seine Erinnerungen an die Kriegsjahre hat der 1939 geborene von Eyb unter dem Titeln „Dreirad – Luftschutzkeller – Amijeep“ zusammengefasst. Er schildert dabei aus seiner kindlichen Perspektive und verzichtet auf überbordende Erläuterungen der parallel laufenden welthistorischen Ereignisse. Von der sich dadurch auftuenden Authentizität der Aufzeichnungen konnten sich die Besucher im Zuge einer Lesung überzeugen. Alexander von Eyb erzählte von den Fliegeralarmen, die ihn und seine Familie im heimischen Bad Mergentheim überraschten. Die tödliche Gefahr aus der Luft drohte sogar auf dem Weg zu Kindergarten und Schule. Zwar war man um die Organisation eines geregelten Alltags bemüht, indem man beispielsweise familieninterne Festtage einhalten wollte: „Doch der Beginn der Feier richtete sich nach der Tonlage der Sirene“, erinnerte sich von Eyb. Die Schilderungen gestalteten sich durch die gewählte Ich-Perspektive und den biographischen Charakter sehr eindringlich. In Bezug auf die heutige Zeit forderte von Eyb zur Erhaltung des Friedens auf: „Man muss daran arbeiten, dass es so bleibt. Es waren schreckliche Jahre". Vor allem die ausbleibende Aufarbeitung der Geschehnisse nach Kriegsende machten zu schaffen: „Es war auch in der Schule ein Tabuthema“, so Alexander von Eyb. Dieses Phänomen abzumildern versucht aktuell das Projekt „Eine kleine Stadt liest“. [...]

[Sonja Heitzer, Wörther Anzeiger]

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