Klangtherapie

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Sven Ochsenbauer sitzt am Klavier, atmet durch, senkt die Hände auf die Tasten. Er streicht über die Saiten, dämpft ein wenig, lässt den ersten Akkord erklingen. Keine Show, kein großes Tamtam. Die Töne berühren, füllen den hohen Raum an diesem Samstagabend im Wörther Bürgersaal. Die Zuhörer lauschen, halten inne, lehnen sich zurück, vergessen Hektik und Alltag.

Vier Stunden verbringe er mindestens täglich am Klavier, sagt Ochsenbauer. Er brauche das einfach. Erlebt man seinen zarten, butterweichen Anschlag, versteht man auch, warum er das braucht: Wenn sich zwei Partner nach vielen Jahren noch so zärtlich behandeln, leben sie in einer erfüllten Beziehung.

Gefunden: die verlorene Zeit

Wenn wiederum Ochsenbauer in die Tasten und die Saiten selbst greift, dämpft und variiert, schafft er Motive, die sich wie Wellen kräuseln, anschwellen zu stürmischer See und sanft am Strand ausrollen: Das Gefühl des Gestrandet-Seins als Künstler wolle er in seinem Stück über die Coronakrise wiedergeben. Doch die an- und abschwellenden Klavier-Pattern strahlen vielmehr innere Ruhe, ja Hoffnung aus. Kein Jammer, eher Aufatmen, Aufraffen, Aufbruch. Selbst in einer Zeit ohne Perspektive bleibt Ochsenbauer also Optimist? Zeit, die er mit seinem Klavier verbringt, ist jedenfalls keine verlorene Zeit – weder für ihn noch für sein Publikum.

Seine Jazz-Suite in vier Abschnitten und drei Interludes folgt: Kurze Läufe wandern suchend, verharren kurz, huschen weiter, drehen sich, scheinen neue Winkel zu erforschen. Ein Knarzen, eine Art Klopfen – Stille - dann gleitet das Thema fort. Zuhörer nicken, lächeln, vielleicht tauchen Bilder auf: eine verrauchte Kneipe da, eine heimelige Szenerie dort, viele unbeschwerte Momente – und kräftiger Applaus.

Geöffnet: Raum fürs Gemüt

Ochsenbauers Flügel spricht mit uns: Jeder Anschlag klingt warm, schafft Nähe. Ein bisschen Tango, ein bisschen Bossa Nova, zwischendurch filigrane Übergänge. Diese Musik tröstet. Er diktiert dem Publikum keine fertigen Geschichten. Stattdessen schafft Ochsenbauer einen Raum, in dem sich die eigenen Gefühle entfalten können.

Der birgt einen eigenen Zauber, einem Menschen bei etwas zuzusehen, das dieser offensichtlich liebt. Federleicht bleibt sein Spiel. Ochsenbauers Musik trägt, ohne zu zwingen. Es wirkt: Wir erleben eine Klangtherapie für Gemüt und Geist.

Gewonnen: Und es wirkt ganz leicht

Vor der Zugabe dankt Ochsenbauer dem Publikum: „Sich zwei Stunden fremde Musik anzuhören, da gehört etwas dazu. Darauf muss man sich einlassen. Danke dafür.“ Dann dreht er sich zum Klavier und spielt wie selbstverständlich noch eines seiner mitreißenden Motive, lässt die Finger über die Tasten fließen und tanzen. Man sieht sie nicht, man hört es nur. Leute lächeln, schließen die Augen, summen leise mit. Am Ende steht kein großes Finale. Ochsenbauer verbeugt sich, das Publikum applaudiert, erhebt sich, geht. Aber die Besucher gehen anders als sie gekommen sind: ein bisschen leichter.

 

[Text & Bild: Wolfgang Karl, Donau Post]

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