Kreativ, mutig, weiblich

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Forster hielt am Samstag im Bürgersaal einen Vortrag, der Teil der Kultur-in-Wörth-Veranstaltungsreihe „Die Goldenen Zwanziger“ war. Die seinerzeit aktiven Künstlerinnen erfahren laut Forster bis heute kaum Würdigung, das Interesse sei gering, was schade sei, da man die Geschichte – auch die Geschichte der Kunst und Kultur – kennen müsse, „um zu begreifen, wie wir geworden sind, was wir sind“.

Laut Forster waren Frauen in den Zwanzigerjahren dem Gesetz nach gleichgestellt, sie durften zum Beispiel wählen, aber von einer sozialen Gleichberechtigung konnte keine Rede sein. Zwar mischten Frauen durchaus im Kulturbetrieb mit, sie besuchten Kunstakademien, jedoch „wurden sie als ,Malweiber‘ eher belächelt“, sagte Forster.

Zu Unrecht, wie sie betonte, da die Künstlerinnen der Weimarer Republik Beachtliches geschaffen hätten. Besonders angetan hat es Forster die Bildhauerin, Malerin und Grafikerin Käthe Kollwitz: „Von ihr bin ich richtig begeistert, ich bin traurig, dass ich sie nicht persönlich kennengelernt habe.“

Verzweifelte Kinder, die nach Brot verlangen

Mit ihren oft ernsten, bedrückenden Werken griff Kollwitz die Lebensumstände einfacher Leute auf, zum Beispiel Rechtlosigkeit, Unterdrückung und Armut.

Forster zeigte die Kollwitz-Lithografie „Brot !“, zu sehen sind zwei hungrige, verzweifelte Kinder, die am Kleid ihrer Mutter zupfen, die nach Nahrung verlangen. Die Mutter muss die Kleinen wegstoßen, da sie ja selbst nichts hat. Unglaublich berührend und ausdrucksstark sei dieses Werk, urteilte Forster.

Kollwitz sei „Pazifistin durch und durch“ gewesen, sagte Forster, was auf persönlichen Erfahrungen beruhe: Ihr Sohn Peter, der begeistert in den Ersten Weltkrieg gezogen war, starb nach nur zehn Tagen auf dem Schlachtfeld. Forster zeigte die von Käthe Kollwitz geschaffene Lithografie „Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden“, die gegen die Rekrutierung minderjähriger Buben für den Krieg protestiert, und verlas ein Manifest, in dem Kollwitz schreibt: „Es ist genug gestorben ! Keiner darf mehr fallen !“

Kollwitz plädierte auch früh für breiten Widerstand gegen den Nationalsozialismus. 1933 zwangen sie die Nazis zum Austritt aus der Preußischen Akademie der Künste, 1945 starb sie bei Dresden.

Forster erzählte ferner vom Leben der gebürtigen Polin Mascha Kaléko, die 1914 mit ihrer Familie nach Deutschland übersiedelte und im Alter von 22 Jahren erste Gedichte veröffentlichte. Früh habe die Jüdin Kaléko die Bedrohung durch die „braune Brühe“ aufgegriffen, sagte Forster und zitierte ein Gedicht, in dem es heißt: „Jage die Ängste fort, und die Angst vor den Ängsten.“

„Sie ist überall eine Fremde geblieben“

1938 wanderte Kaléko nach New York aus, später ging sie nach Israel – richtig glücklich wurde sie nie: „Sie blieb ein entwurzeltes Kind, eine Fremde, sie wurde nirgends heimisch, auch in ihrem Leben nicht.“

Das Schicksal, dass vor allem die letzten Lebensjahre von Dunkelheit, Einsamkeit und Verlorenheit geprägt sind, teilt Kaléko mit vielen Künstlerinnen der damaligen Zeit – etwa mit Else Lasker-Schüler, die Deutschland aus Angst vor den Nazis ebenfalls verließ und 1945 psychisch zerrüttet in Jerusalem starb.

Die Dichterin Lasker-Schüler war laut Forster eine typische Vertreterin des Expressionismus, „in dem man so gedichtet hat, wie es einem die Seele gesagt hat“. Lasker-Schüler habe in ihrer Lyrik ihr Innenleben verarbeitet. Forster zitierte das Gedicht „Versöhnung“, in dem es an einer Stelle heißt: „Wir wollen uns versöhnen die Nacht; Wenn wir uns herzen, sterben wir nicht.“

Als expressionistische Malerin gilt Gabriele Münter, auf die Forster ebenfalls einging. Auch Münter habe ihre Farben so auf die Leinwand gebracht, wie es ihre Seele vorgegeben habe, sagte Forster; sie habe sehr bunt, teils fast naiv gemalt. Münter war Mitglied der Neuen Künstlervereinigung München, später stand sie in engem Kontakt mit der Malergemeinschaft Blauer Reiter.

Nachdem Forster an die heute fast vergessene Schriftstellerin Irmgard Keun erinnert hatte, sagte sie, dass uns die Künstlerinnen der damaligen Zeit Erinnerung seien, das Erreichte nicht zu verspielen. Seit damals habe sich vieles verändert, verbessert, doch das Glück sei ein zartes Pflänzchen.

[Text und Bild Simon Stadler, Donau-Post]

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