Schlecht nicht, nur anders
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Die Bühne des Bürgersaals haben Dr. Paul Schweiger und Josef Schindler an diesem Abend gemeinsam – und auch sonst einiges, wie Schindler zu Beginn anmerkt. Da ist das Offenkundige: Beide sind gebürtige Wörther, in der Nachkriegszeit aufgewachsen. Beide haben Bücher über ihre Kindheit verfasst.
Aber es gebe auch Gemeinsamkeiten zwischen ihnen, von denen weniger Menschen wüssten, sagt Schindler. Zum Beispiel seien ihre Mütter gute Freundinnen gewesen. „Der Paul hat in unserer Familie immer existiert, aber nur vom Hörensagen“, erzählt er. Schweigers Mutter habe ihrer Freundin genauestens berichtet, wohin es ihren Sohn wegen seiner Ausbildung aktuell verschlagen habe. Schweiger fügt eine weitere Verbindung zwischen den beiden hinzu. Schindlers Großvater habe der Familie Schweiger mit seinem Bulldog beim Umzug nach Kirnberg geholfen.
Viele Gemeinsamkeiten, ein deutlicher Unterschied
Als sie ihre Geschichten vortragen, fällt bei allen Gemeinsamkeiten ein Unterschied auf. Schweiger erzählt geordnet. Jede einzelne Geschichte beschreibt ein Ereignis seiner Kindheit von Anfang bis Ende. So erzählt er in „Das abgebrochene Feuerwerk“ davon, wie er als Vierjähriger seinem Vater half, ein abgestürztes Flugzeug um einige nützliche Teile zu erleichtern. Zwischendurch hätten sie sich vor einer amerikanischen Patrouille verstecken müssen, aber am Ende zufriedenstellende Beute gemacht. Darunter waren einige Teile aus einer Magnesiumlegierung.
Diese seien dem Vater zwei Jahre später im Herbst wieder eingefallen. In ein Kartoffelfeuer habe er Späne des Magnesiums geworfen und sich von der Begeisterung der Familie über die grellweißen Flammen immer weiter anstacheln lassen. Größere und größere Stücke des Magnesiums verbrannte er und schleuderte es schließlich mit einer Schaufel in die Luft. Schlagartig sei seinem Vater aber aufgefallen, dass das Magnesiumfeuer kilometerweit zu sehen sein musste. Hektisch löschte er alles. Als kurz darauf Nachbarn und sogar die Feuerwehr zum Hof kamen, habe sich die Familie unwissend gestellt – und damit erst recht die Gerüchteküche beheizt. „Es hätte nur noch gefehlt, dass jemand die Außerirdischen ins Spiel gebracht hätte.“
Da komme eben der Naturwissenschaftler durch, kommentiert Schindler. Ihm dagegen habe ein Seminarlehrer während des Referendariats einen „Hang zum anarchischen Assoziieren“ bescheinigt. Und der ist seinen Erzählungen anzumerken. In „Himmel und Hölle“ macht er sich auf die Suche nach der Hölle und dem Teufel im alltäglichen Leben. Fündig wird er zunächst im Hüpfspiel und der gefalteten Schicksalslotterie, beide als „Himmel und Hölle“ bezeichnet.
Der Teufel steckt nicht nur in der Hölle, sondern so gut wie überall drin. Sei es in Redensarten wie „Des hod an Deife g’seng“ oder „Wie’s da Deife hom wüll“, sei es in jedem kleinen Detail. Selbst Gottesdienste vermöge der Teufel für sich zu nutzen, stellt Schindler am Beispiel seines Onkels Hans fest. Der habe nämlich höchst selten die Kirche besucht, sich aber einmal doch dorthin aufgemacht. Wieder daheim, habe der Onkel gemerkt, dass der Hund eines Nachbarn in der Zwischenzeit seinen Hasenstall heimgesucht und eine Reihe der Tiere gerissen hatte. Gerade heute habe ihn der Teufel in die Kirche geführt, habe der Onkel seiner Verbitterung Luft gemacht.
Von einer gewissermaßen teuflischen Verführung erzählt auch Schweiger. Für den Heimweg von der Schule nach Kirnberg, immerhin sechs Kilometer und gut 200 Höhenmeter, habe er sich gern Mitfahrgelegenheiten gesucht. Am ergiebigsten sei der Stall des Gasthofs Geier gewesen. Standen dort die Pferde eines Nachbarn, standen auch die Chancen gut, dass der einen auf dem Wagen mitnahm.
Einmal habe ein Nachbar schon einen weiteren, erwachsenen Passagier gehabt und mit dem gerade Bier beim Geier getrunken. Sie versprachen dem kleinen Paul, ihn heimzufahren. Er müsse nur warten, bis sie ausgetrunken hätten. Aber wie der Teufel es wollte, hätten sie nie ihre Gläser gleichzeitig geleert, sodass immer einer noch ein Bier bestellen musste.
Drum prüfe, wer sich mitnehmen lässt
Als es finster war, habe der Wirt die beiden Männer mit dem Hinweis „Es habts’as dem Buam versprocha“ schließlich zum Losfahren bewegt. Zu Fuß wäre er da schon zweimal zu Hause gewesen. Auf dem Heimweg kamen die beiden Angeheiterten noch auf die Idee, einem Bauern, dessen Hof auf der Strecke lag, einen Streich zu spielen, und machten sich dort als vorgeblich Ortsfremde mitten in der Nacht unbeliebt. Dieses Erlebnis habe ihn fürs Erste davon abgebracht, irgendwo mitzufahren, schreibt Schweiger.
Weiter lesen sie im Wechsel vor, Schweiger über Holztransporte mit widerspenstigen Pferden und die Ofenbank, das wohl beliebteste Möbel im Haus. Schindler spinnt seine Gedanken zum Thema Licht und Finsternis vom Fliegenverjagen über die – wenigen – Beleuchtungsmöglichkeiten auf dem Bauernhof bis zu den Lichtern der Bildung und des Glaubens.
Schließlich sind sie für den Abend mit Lesen fertig, Schluss ist deswegen aber nicht. Schon seit einer Stunde schaut über Schweiger und Schindler ein Bub von einem Schwarzweißfoto aus ins Publikum. Ja, das sei er, sagt Schweiger, 1949 in der ersten Klasse. Mit der Hilfe des Publikums stehen kurz danach auch die Namen der übrigen Kinder auf dem Foto fest. Ein weiteres Bild Schweigers zeigt das Anwesen seiner Eltern in Kirnberg – „das Gebäude war um 1700 schon alt“ – und den damaligen Schulhof in Wörth. Platz war da nicht wirklich, zum Herumrennen habe es dennoch gereicht, sagt Schweiger. Wenn man denn rennen wollte, ihm sei das immer zuwider gewesen.
Das sei vielleicht sein wichtigstes Anliegen, sagt Schweiger noch. Er wolle – siehe winziger Pausenhof – zwar erzählen, wie es in seiner Kindheit war, sich aber nicht darüber beklagen, wie schlimm damals alles gewesen sei.
[Text und Bild Maximilian Eibl, Donau-Post]