Und, was fühlen wir jetzt?

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Eine gute Psychotherapie ist derzeit kaum zu bekommen. Kein Wunder, dass alles ausgebucht ist, in dieser irren Zeit, in der man immer glücklicher aussehen soll, je schlechter man sich fühlt. Die Kabarettistin Eva Karl-Faltermeier hat das zum Glück schon hinter sich. Hat alle Demütigungen durch die herrschende Handwerkerkaste, selbstgerechte Instamoms und übergriffige Besserwisser-Freundinnen abgestreift und Erleuchtung erlangt: Viel schöner als Hochzeiten sind Beerdigungen. Die sind vor Mitternacht vorbei, es gibt keine Fotoshootings und man muss sich hinterher nicht übergeben. Vor allem wirft man keine Blumenkränze, um zu wissen, wer als nächstes dran ist.

Rush Hour des Lebens – im Stau auf der B16
Der Grant als Kunstform ist so oberpfälzerisch wie Nebel, Kartoffeln und der Diphthong „ou“. All dies ist Karl-Faltermeier qua Erziehung in Fleisch und Blut übergegangen. Gleichzeitig ist sie eine emanzipierte junge Frau, in der Hip-Hop-Kultur und den sozialen Medien daheim. Und jetzt, Ende 30, mit zwei Kindern, einem halbfertigen Eigenheim, voll berufstätig und obendrein verantwortlich für einen Hobby-Fußballer als Ehemann, verbringt sie die „Rush Hour des Lebens im Stau auf der B16.“ Da war der Zusammenbruch irgendwie vorprogrammiert. Dem Publikum werden die Inhalte von Therapiesitzungen mit Frau Janecke nacherzählt, stets unterbrochen von der Frage: „Und, was fühlen Sie jetzt?“ – wenn man sich vor Lachen am meisten den Bauch halten muss.

Ihre Kindheit im Tal der schwarzen Laber – schwarz, weil keine Sonne hineinscheint – sei absolut glücklich und naturverbunden gewesen. Alle ernsten Gefahren waren bestenfalls abstrakt: „Russen und SPDler, des hat’s bei uns net geem.“ Dass man sich dessen sicher sein durfte, dafür garantierten Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der abgeschotteten Dorfgemeinschaft. So überschaubar wie die Meinungsvielfalt in der CSU-Idylle, so simpel war auch die Partnerwahl: „Man tastet im Nebel und wenn man jemanden trifft, der nicht grad der eigene Bruder ist, dann ist es Liebe.“ Nachhaltigkeit war ein Sachzwang, man trug ganz natürlich die abgelegten Kleider der Geschwister. „The Schou must go on“ ist eben auch Dialekt.

Expertinnen und Experten für Schuldgefühle
Umso unvorbereiteter traf sie nach der Schule die Komplexität des Lebens und dass es Orte gibt, wo sogar im Winter die Sonne scheint. Nun wollte sie die große weite Welt erkunden... In Straubing hätte sie gerne als Journalistin angefangen. Ihr Ausbilder, ein Herr Trümmer, wusste aber nicht so recht, was er einem Nicht-Mann zutrauen durfte: „Ja, Frau Karl, wollen’s net was Soziales machen?“ – „Aber ich hab doch Politik studiert.“ – „Ah, geh, geh, geh...“ Die Probezeit überstand sie so freilich nicht, also wurde endlich geheiratet.

Die Gesellschaft anderer Mütter war aus emanzipatorischen Gesichtspunkten aber nicht unbedingt besser. Da ist etwa die sich überall einmischende – und weitschichtig verwandte – beste Freundin Steffi, die es versteht, Eva in allem die Schuld zuzuweisen. Selbst als der Mann die Katze „Franz 2“ in der Waschmaschine tötet: „Ja, warum muss denn bei euch dein Mann die Wäsche machen?“ Nur gut, dass Eva nicht kinderlos ist, wie die andere Freundin, über die als Nächstes abgelästert wird... Auch der weitere Bekanntenkreis, der sich neuerdings auf Instagram austauscht, bietet keinen rechten Rückhalt: „Da schauen’s alle in der Früh schon aus, als hätten’s Koks im Müsli.“

Der gegenseitige Leistungsdruck der Instamoms, Glück und Wohlstand auf Internet-Bildern darzustellen, sei einfach nur verlogen: „Vater, Mutter und zwei Kinder spazieren in weißen Gewändern durch ein Kornfeld. Bis bei uns der Letzte fertig angezogen ist, ist doch der Erste schon wieder dreckig.“

Sogar die Rolex ist von Engelbert Strauß
Einem zunehmenden Leistungsdruck muss man sich neuerdings auch stellen, wenn man einen Handwerker für die eigene Baustelle gewinnen will. „Weil Handwerker, das sind die neuen Chefs. Und das wissen sie auch, weil wir sind ja alle blödstudiert und können uns selber net helfen.“ Mit Sektempfang, rotem Teppich, ein paar Tausendern extra und etwas Flexibilität bei den Ansprüchen an die Qualität kann man aber einiges richten. Hauptsache man vergrätzt niemanden, der eine „Rolex von Engelbert Strauß“ trägt.

Am schlimmsten sind folgerichtig die vielen Hochzeiten. Die Männer – viele davon Handwerker – schauen Fußball und die Frauen überbieten sich, von einem Insta-Shooting zum nächsten immer besser auszusehen. Wie man den ganzen Zauber inklusive Elternzeit auf Bali neben dem Hausbau finanzieren soll, ist Karl-Faltermeier ein ewiges Rätsel. Und dann darf sie sich daheim von ihrem Mann noch den Satz anhören: „Dir fehlt in letzter Zeit a bisserl die Leichtigkeit.“ Deswegen geht sie inzwischen viel lieber auf Beerdigungen: „Da darf man auch mal in aller Ruhe drei Stunden weinen, ohne dass einer fragt warum. Es gibt keine idiotischen Spiele wie ein Sargverziehen. Und man bekommt auch ohne zu schenken etwas zum Essen...“

„Es geht dahi“ ist bei allen folkloristischen Schenkelklopfern aber auch ein hochpolitisches Kabarett-Programm. Messerscharf analysiert Karl-Faltermeier, warum es mit der Emanzipation nicht mehr vorangeht: „Weil die Frauen sich untereinander ständig kritisieren und sich nicht gegenseitig helfen, so wie die Männer.“ Und dass die Verherrlichung der strahlenden, wohlhabenden, vierfachen Supermutter bereits ein Einstieg in neurechte Ideologien ist – dass die Frau eben doch soundso zu sein hat, damit sie am Ende dem Mann gefällt.

Die übergriffige Besserwisserei, die schon damit anfange, dass man heimlich nachts auf ein schmutziges Auto mit dem Finger „Sau“ kritzelt, habe sich ausgewachsen in eine von Hass und Hetze zerstörte Streitkultur auf Facebook, als ob dort alle besoffen wären. Von da ist es nicht weit zu Todeslisten, auf denen Politiker, Journalisten und eben auch Kabarettistinnen wie sie selbst stehen. „Und, was fühlen sie jetzt?“ – „Angst davor, meine Kinder in so eine Welt zu setzen.“

Jetzt startet erstmal die große Tournee
Eva Karl-Faltermeiers Leidensgeschichte ist vor allem ein Plädoyer für mehr Empathie und weniger idiotische Selbstdarstellung. Für ein echtes Miteinander als Gegenentwurf zur Pseudo-Solidarität der politischen Analphabeten. Das sind nicht eben kleine Ambitionen für die große Tournee durch ganz Bayern und sogar nach Stuttgart, Köln oder Berlin, zu der die Kabarettistin jetzt aufbricht.

Daheim in Wörth jedenfalls hat sie das K.i.W.-Publikum wirklich bereichert und begeistert. Man könnte es auch so formulieren: 73 Zuschauer waren wegen Corona im Bürgersaal erlaubt – und von jedem einzelnen kann Karl-Faltermeier ein dickes Like für sich verbuchen. Das muss man als Influencerin erstmal schaffen, ohne überhaupt online gewesen zu sein.

P.S.: Die Nummer von der Therapeutin Frau Janecke, könnte ich die vielleicht auch haben?

[Text Franz Nopper, Donau-Post; Foto Johann Festner]

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