Verneigung vor Johnny Cash

Eingetragen am

Bild: Simon Stadler

Am Samstag im Bürgersaal geben Hofbauer und Martin Langer, die zusammen die „Folsom Prison Band“ bilden, dieses fröhliche Stück zum Besten. Hofbauer lässt seine sonore Stimme erschallen, Langer tänzelt über die Bühne, geht immer wieder leicht in die Knie, wippt, dreht sich. Schwungvoll zupfen die Musiker an ihren Blechgitarren, die Finger wuseln sündhaft schnell über die Griffbretter. Die Instrumente aus Blech entstammen den Zwanzigerjahren, sie wurden damals so gebaut, dass sie gegen Trompeten oder Geigen ankommen können – und sie waren so stabil, dass man sie beim Aufspringen beruhigt auf einen Güterzug schmeißen konnte.

Der quirlige Sound der Gitarren und der volltönende Gesang infizieren das Publikum im Bürgersaal mit Heiterkeit. Die Zuhörer, die vereinzelt gar Cowboystiefel tragen, klatschen mit und singen mit, wiegen ihre Körper im Takt. Einer filmt mit dem Handy.

So kann Country natürlich sein: lustig, voller Energie. Jedoch: Country kann auch anders sein.

„Mein Großvater stammt aus Philadelphia“, erzählt Hofbauer, „diese Musik war seit jeher mein Ding, Amerika war der Sehnsuchtsort. Als ich die Sprache immer besser gelernt habe, habe ich aber gemerkt, dass es in vielen dieser Lieder um ganz üble Dinge geht, um Mord, Totschlag, verlorene Liebe, das Verlassenwerden. Mir wurde klar, dass Amerika vielleicht doch nicht so lustig ist.“ Das sei fast wie heute, meint Hofbauer, „da müsste ich auch nicht unbedingt rüber“.

Mehr muss er gar nicht sagen. Auch bei Johnny Cash sei das so gewesen, auch der habe eine „dunkle Seite“ gehabt, sagt Hofbauer, der – passenderweise – einen schwarzen Cowboyhut, einen schwarzen Mantel und eine schwarze Hose trägt; in der Hand hält er meist eine schwarze Gitarre. Ein „Man in Black“. Wie Cash, der König der Country-Musik, der schon zu Lebzeiten für unsterblich erklärt wurde, was ihm gegen den Tod im engeren Sinne wenig half: 2003 starb er in Nashville. Die „Folsom Prison Band“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, sein Lebenswerk zu ehren und fortzuführen.

Auftritt im Gefängnis

Schon der Name ist ja eine Hommage. „At Folsom Prison“, so heißt das legendäre Knast-Album, das der Großmeister 1958 in einer Haftanstalt in Kalifornien aufnahm. Cash war auch mal in Landsberg am Lech, als US-Soldat, auch dort gibt es ja ein Gefängnis. Und dort, so erzählt es Hofbauer, trat die „Folsom Prison Band“ auf – kurz nach der Entlassung von Uli Hoeneß. In einem „furchtbar greislichen“ Speisesaal sei das gewesen, die Häftlinge saßen in der ersten Reihe, die Wärter standen hinten. „Jedes Augenpaar hat eine Geschichte erzählt“, so Hofbauer, „das war unser bestes Publikum.“ Die Szenerie war grell beschienen vom Neonlicht. Um diese Atmosphäre nachvollziehbar zu machen, muss Kultur-in-Wörth-Chef Johann Festner am Samstag im Bürgersaal sämtliche Lichter einschalten. Hofbauer und Langer präsentieren dann den Song „Folsom Prison Blues“, der sich mit der Frage beschäftigt, was das abgrundtief schlimmste Verbrechen ist, das es geben kann. Antwort: jemandem beim Sterben zuschauen.Das Verbrechen hat Cash fasziniert, er hat sich gerne als Rebell inszeniert, was sich in seinem Werk niederschlägt. Das Lied „The Long Black Veil“ erzählt zum Beispiel aus der Perspektive eines Mannes, der eines Überfalls bezichtigt wird. Er ist unschuldig, in der Tatnacht war er bei der Frau seines besten Freundes.Er lässt sich aufhängen.

Die Religion gab ihm Halt

Am Samstag sind einige Lieder zu hören, in denen etwas Melancholisches mitschwingt. Zum Beispiel „I Guess, Things Happen This Way“. Die Kernaussage: Eine Frau hast du nur vorübergehend, irgendwann ist sie weg, aber mei, das ist halt so.Wichtig war Cash die Religion, sie gab ihm Halt. Sein Stück „Daddy Sang The Bass“, inspiriert vom Gospel, nimmt Bezug auf eine Zeit, in der Familien noch zusammen musizierten, so dass es meilenweit zu hören war. Die Musik hilft einer sorgenvollen Seele, heißt es an einer Stelle.

Auch die Weggefährten der Legende Cash kommen im Programm der Band vor: Buddy Holly, Willie Nelson. Von Letzterem stammt das Stück „Me And Paul“, es erzählt vom Tour-Leben, von den Whisky-Fluten, die dazu führen, dass man am Morgen danach nicht mehr weiß, ob man es überhaupt auf die Bühne geschafft hat. Eine der wichtigsten Inspirationsquellen für Cash sei die Generation vor ihm gewesen, allen voran Hank Williams, sagt Hofbauer. Williams starb mit 29 Jahren auf der Rückbank eines Autos. Sturzbetrunken. Und übrigens alleine.

Einmal sagt Hofbauer: „Jetzt wäre ein Lagerfeuer schön.“ Die Brandschutzbestimmungen der Stadt Wörth gestatten das natürlich nicht. Aber der Mensch, so Hofbauer, könne sich ja zum Glück an Orte träumen. Und wenn das Duo dann zu spielen beginnt, mit Banjos und Gitarren, erscheinen vor dem inneren Auge tatsächlich knisternde Flammen.

Ein wohlig-warmes Lagerfeuer, irgendwo am Mississipi.

[Text und Bild: Simon Stadler, Donau-Post]

Zurück