Vom schwarzen Schaf und der Toleranz
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Mitgebracht hatte Rolf Stemmle vielseitige Texte, die eine Spanne von nachdenklich und kritisch bis unterhaltsam und ironisch abdeckten. Einen Roman, Gedichte, Kurzgeschichten. Die Lesung des Regensburger Autors war Teil der Reihe Lesen für die Demokratie. Der kurzfristig eingesprungene Roland Huber gestaltete die Pausen des Abends an der Akustikgitarre.
Zunächst stellte Rolf Stemmle seinen Roman „Das Rennplatz-Geheimnis“ aus dem Jahr 2019 vor. Der Protagonist Jürgen, 16 Jahre jung, wächst mitten in der Wirtschaftswunderzeit auf. Er merkt, wie sehr die Spuren der Vergangenheit an den Menschen in seinem Umfeld haften. Sein Vater etwa ist schweigsam, verschlossen. Auf Knallgeräusche beim Lagerfeuer reagiert er mit zuckenden Augenlidern. Auf extrovertierte Sprüche seines Freundes Siegbert hin ist er angespannt. Was unter diesem Verhalten verborgen ist, kann sich Jürgen nicht erklären. Niemand spricht darüber.
Dieses schwermütige Gefühl wurde von der folgenden Pause musikalisch unterstrichen und brachte es ein Stück weit in den Kreis der Zuhörer im Bürgersaal. Danach lenkte Stemmle den Blick zu einer zweiten Figur im Roman, Alois. Über ihn erfährt Jürgen, dass eine Fabrik für Kampfflugzeuge an den Rennplatz im Regensburger Westen angrenzte. Beim Bombenangriff auf das Messerschmittwerk hat Alois 1943 seine Geliebte Helene verloren, diesen Tag schildert er markerschütternd real.
Psychisch lastet das auf ihm. Die beiden begeben sich auf die Suche, um die unausgesprochenen Geheimnisse aufzudecken. Der Roman habe etwas Persönliches, das gibt der aus Prüfening stammende Autor zu. Seine Eltern seien zu jung für den Krieg gewesen, hätten aber die Bombenangriffe miterlebt. Stemmle ist überzeugt: „Die Gräuel der Vergangenheit wirken über Generationen fort.“ Und er appelliert, Verantwortung für die Gegenwart zu übernehmen, weil sie Teil der Zukunft sei. Gerade auch jetzt in unseren Zeiten.
Nach einem Plausch mit dem Autor folgten Gedichte aus dem Lyrikband „Der Mensch im Tier“ und Kurzgeschichten. In ihnen vermittelten heitere, hintersinnige Pointen kleine Weisheiten zu Themen wie Humanität, Toleranz und Völkerverständigung, die seien Stemmle wichtig. Zum Beispiel in „Die Klugen“: Darin kommt ein schwarzes Schaf in eine helle Herde. Dieses bemerkt einen Unterschied zum Neuankömmling, doch das Gedicht endet: „Bald setzten sie ihr Grasen fort. Der Fall nahm keine weitere Wendung. Die Schafe nämlich krankten dort nicht an rassistischer Verblendung.
“Zwei Pickel verhindern einen Krieg
In den drei Kurzgeschichten – ganz kurzgefasst – gesellen sich zwei Kreuzritter zu einem völkerverbindenden Picknick. Ein Zuhörer einer Jubiläumsansprache bekommt einen Lachanfall angesichts der Selbstverherrlichung des Bürgermeisters. Und zwei Pickel in den Gesichtern von Staatsmännern verhindern einen Krieg, als es Spitz auf Knopf steht. Amüsant verpackte und zugleich optimistische Gesellschaftskritik trug Stemmle damit vor und lauschte nach der letzten gelesenen Zeile mit nach oben gezogenen Mundwinkeln den Gitarrenklängen.
[Text und Bild: Bettina Dums, Donau-Post]