Wörth und wie man hier leben kann
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Welche Richtung schlagen wir ein ?
Von der Stadtführung mit Josef und Josef zum Thema Kultur.Wirtschaft
Schon die humorige Begrüßung am Kirchplatz hatte es in sich: „Es soll ja eigentlich nur um Wirtschaftsthemen gehen. Aber was heißt das schon? Also gehen wir einfach los und erzählen irgendwas...“ Dass Optimismus und Planlosigkeit – manche sagen auch Freiheit dazu – vitale Voraussetzung für Kultur und Wirtschaft sind, das entfalteten die K.i.W.-Stadtführer Josef & Josef, Schütz & Schindler, den gut 60 Mitwanderern einmal mehr mit Geduld, Hintersinn und viel Humor.„Welche Richtung schlagen wir ein ? Wer weiß schon, wie es ausgehen wird...“ Wer mit seiner Zeit und dem was ihn umgibt, etwas neues anfangen will, ist immer mit Ungewissheit konfrontiert, dem sogenannten unternehmerischen Risiko. Auch gewohnte, oft mühselige Wege sind keine Erfolgsgarantie, wenn etwa eine schwere Krankheit zuschlägt. Dankbarkeit, dass man überhaupt da sein darf, sich allein das zu vergegenwärtigen, mag helfen, stets neuen Mut zu fassen.
Dankbarkeit als wirksame Erkenntnis
So wundert es wenig, dass einer der Höhepunkte der zweistündigen Wanderung vom Kirchplatz über die Lerchenhaube und den Herrnberg, die Schusshütte und den Petersplatz das Holzkreuz oberhalb der Schützmulde war. Josef Schütz (der aus der dortigen Landwirtschaft stammende Onkel von Josef Schütz) hatte trotz seiner 80 Lenze den beschwerlichen Aufstieg gemeistert und berichtete den Teilnehmern, dass er das Kreuz errichtet habe, weil er und die seinen die Bewirtschaftung der Hofstelle in Hanglage ohne schwere Verletzungen überstanden haben.
Geografie zwischen Wald und Strom
Josef Schütz – nun also der Wanderführer – zeigte anhand des Fleckerls mit der großartigen Aussicht von der Brennberger Burg im Westen bis weit ins Donaugau hinein, wie sehr das ursprüngliche Wörth von seiner Geografie „zwischen Wald und Strom“ geprägt wurde und noch heute profitiert – als Industriestandort und Verkehrsknotenpunkt einerseits und als landschaftlich reizvolles, vor Leben sprudelndes Naherholungsgebiet andererseits.Der Weg in dieses herbstlich strahlende Hier und Jetzt war freilich ein steiniger; Josef Schindler las unter anderem an der „Stukabahn“, einem Hang der Lerchenhaube, aus seinen Memoiren „Saupech und Schweineglück“ über die Kindheit im Nachkriegs-Wörth. Einerseits war es für die Wörther Jugend natürlich ein Glück, weitgehend unbelastet von der durch das NS-Regime aufgeladenen Generationenschuld aufwachsen zu dürfen. Ganz unbefangen schnallte man sich die Skier unter die Füße und stürzte sich todesverachtend wie ein Sturzkampfbomber die „Stukabahn“ hinab, auch weil Nazi-Propaganda in Form alter Landserhefte noch allgegenwärtig war. Umso bitterer war dafür die Erkenntnis, als das Schweigen brach.
Was war nochmal die Stadtsemmel ?
Den Dreh zur Wirtschaft schaffte Schindler, indem er auch den Begriff der „Stadtsemmel“ erklärte, was in den Fünfzigern ein Mitbringsel vom Regensburger Kaufhaus Schocken bezeichnete, das so manches Kind zur besseren Genesung nach einem Skiunfall auf der Stukabahn geschenkt bekam. Dass freilich auch die jüdische Kaufhauskette enteignet und arisiert worden war, änderte nichts daran, dass man das Kaufhaus noch Jahre später so nannte. Auf dem Gipfel der Lerchenhaube gingen Josef und Josef auf einige Verkehrswege ein, die der Stadt ihre heutige Bedeutung verliehen haben. Einerseits verläuft just hier im Wald der europäische Fernwanderweg E 8 von Irland nach Bulgarien, der auch Teil des Jakobswegs ist. Andererseits würde man – ohne die Bäume – von hier auch die Donau-Brücke nach Pfatter sehen, über deren bald 100-jährige Entstehungsgeschichte vieles zu berichten war – mal mehr, mal weniger zum Lachen.
Warum heißt die Rutschn, wie sie heißt ?
Weitere Stationen der Wanderung waren die Pestkapelle, die Schule und die Schusshütte im Gschwellbachtal oder die früheren Geschäfte am oberen Markt, dem heutigen Petersplatz, wo Schindler wiederum mit seinen Kindheitserinnerungen auch diejenigen seiner Zuhörer neu zum Leben erweckte.Die letzte Station war dann die sogenannte „Rutschn“, der steile Anstieg von der Fellerstraße zum oberen Markt hinauf mit der inzwischen geschlossenen, gleichnamigen Wirtschaft. Schindler blickte zurück auf die Zeit, in der Horden von Stadtkindern im Winter sitzend oder bäuchlings rodelnd versuchten, ohne in eine der Mauern einzuschlagen, bis in den Stadtkern hinunter zu gelangen. Gefährlich war der winterliche Weg nämlich nicht nur für die Fußgänger, sondern auch für die Rodler, zumal „wenn der Geier Fritz und seine Kumpanen im Schutze der Nacht die Schneebahn gewässert hatten.“Der sprechende Name des Orts gehe indes nicht auf solch tollkühne Bubenstücke zurück, sondern ein sehr beleibter Fürstbischof soll sich schon vor Jahrhunderten wohl einer Art gleitenden Lastenaufzugs bedient haben, wenn ihm der Weg aus einer Wirtschaft zum Schloss hinauf zu beschwerlich erschien. Beschwerlich, aber sehr lehrreich war nun auch die zweistündige Wanderung; wieder am Kirchplatz angekommen ernteten Josef und Josef viel Beifall und K.i.W.-Seniormanager Johann Festner kündigte auch für kommendes Jahr eine Stadtführung an – zu welchem Thema auch immer.
[Text: Franz Nopper, Donau-Post]